Trekkies of the Month Oktober 2004: Michael Hardt & Antonio Negri

Star-Trek-Philosophers-Preis für die Formulierung einer proto-föderalen Perspektive

Star Trek denken in den Jahrhunderten vor Kirk und Spock: Negri und Hardt Die beiden Autoren sorgten bereits 1999 mit ihrem College-Bestseller Empire für Aufsehen. Nun ist der Folgeband Multitude erschienen, diesmal mit beachtlichem Tempo auch in deutscher Sprache (im campus-Verlag). Was Hardt und Negri sich vorgenommen haben, kann man als Versuch beschreiben, eine zeitgemäße politische Perspek­tive in einer sich rasant verändern­den Welt zu entwickeln. In den Medien wurde dieses Projekt schon als Globalisierung von links beschreiben, oder als kommunistisches Manifest des 21. Jahrhunderts. Was in dem nun erschienenen Band Multitude den geneigten Trekkie aufhorchen lässt, ist Tonfall und Emphase in der Beschreibung dessen, was als Multitude begriffen werden soll. Die Anlage als postmoderner Klassenbegriff war bereits in Empire offensichtlich; im aktuellen Band werden die Autoren jedoch um einiges konkreter:

"Dieses zweite Gesicht der Globalisierung bedeutet nicht die weltweite Angleichung einer und eines jeden; es bietet uns vielmehr die Möglichkeit, unsere Besonderheit zu wahren und das Gemeinsame zu entdecken, das es uns erlaubt, miteinander zu kommunizieren und gemeinsam zu handeln. Auch die Multitude kann deshalb als ein Netzwerk aufgefasst werden: als ein offenes und breit angelegtes Netzwerk, das es zulässt, jegliche Differenz frei und gleich auszudrücken, ein Netzwerk, das die Mittel der Begegnung bereitstellt, um gemeinsam arbeiten und leben zu können."

Die Multitude in Aktion (Madrid, März 2004) Was die Multitude von vorhergenden Begriffen in der Moderne, wie Klasse, Volk oder Masse unterscheidet, so Hardt/Negri weiter, sind ihre inkludierenden Eigenschaften. Was die modernen Konzeptionen ausmachte, waren Einheitlichkeit und Ausschlussprinzip. Multitude dagegen ist ein offenes Konzept, dem sich alle anschließen können, ohne sich assimilieren zu müssen.

Welchem Trekkie fallen da nicht die Worte von Gene Roddenberry ein, mit denen er Mitte der Siebziger umriss, was die Star Trek-Philosopie ausmacht:

"Die ganze Show war ein Versuch zu sagen, dass die Menschheit an jenem Tag Reife und Weisheit erreichen wird, an dem sie beginnt, Unterschiede in Vorstellungen und Lebensformen nicht nur zu tolerieren, sondern einen besonderen Gefallen daran zu finden. Wir versuchten zu sagen, dass das Schlimmste, was uns allen in der Zukunft passieren könnte, ist, dass wir in eine eindimensionale Schablone gepresst werden; und anfangen, uns gleichförmig zu benehmen, zu reden, und auszusehen. Wenn wir nicht lernen, die kleinen Unterschiede zu geniessen, einen positiven Gefallen an jenen kleinen Unterschieden innerhalb unserer eigenen Lebensform zu finden, dann verdienen wir es nicht, raus in das Universum zu gehen und die Vielfalt zu treffen, die so gut wie sicher dort draußen ist."

Bei so viel Übereinstimmung in der Perspektive ist es sicherlich auch kein Zufall, dass Hardt und Negri zur Beschreibung postmoderner Kriegsverhältnisse auch eine Episode aus der Originalserie heranziehen (A Taste of Armageddon, deutsch: Krieg der Computer). In dieser Episode hatte Roddenberry die Widersprüchlichkeiten einer körperlosen Kriegsführung verhandelt. Hardt und Negri greifen das auf, lassen Kirk und Spock nun quasi auf die US-Hightecharmee von heute los.

Wir sind davon überzeugt, dass das Projekt von Michael Hardt und Antonio Negri tatsächlich darauf abzielt, eine proto-föderale Perspektive zu formulieren und verleihen ihnen dafür den Star-Trek-Philosophers-Preis. (b.)

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