Trekkie of the Month Februar 2006: Al-Shihan, Frankfurter Rundschau u.a.

Surak-Preis für ein logisches Konfliktmanagement

"Es gibt Konflikte, in denen man vieles falsch machen kann und kaum etwas richtig. Der Streit um die Mohammed-Karikaturen ist so einer." Mit diesen Worten, die auch von Benjamin Sisko stammen könnten, eröffnet Stephan Hebel von der Frankfurter Rundschau seinen Kommentar zu der Entschei-
dung, die Karikaturen der dänischen Kollegen vom Jyllands-Posten nicht nachzudrucken.

Bringt die Rundschau im Karrikaturen-Konflikt auf Kurs: Stephan Hebel.
Bringt die Rundschau im Karrikaturen-
Konflikt auf Kurs: Stephan Hebel.
Neben der Rundschau haben andere europäische Zeitungen, unter ihnen der Figaro aus Frankreich oder Politiken aus Dänemark, ihre Pressefreiheit in Verant-
wortung für ein interkulturelles Europa und den internationalen Dialog wahr-
genommen. Diese Intention hat auch Jihad Momani von der jordanischen Wochenzeitung Al-Shihan unter umge-
kehrten Vorzeichen verfolgt, als er drei der Karikaturen veröffentlichte um seine Leserinnen und Leser über den Gegen-
stand der Auseinandersetzung aufzu-
klären. Momani ist inzwischen wegen dieser Entscheidung entlassen und nach dem jordanischen Presserecht wegen Verunglimpfung einer Religion unter Arrest gestellt worden. In einem Inter-
view befragt, was die Antwort auf all das sei, pointiert Momani:

"Von Angesicht zu Angesicht miteinander zu reden und offen heraus sich unserer Probleme anzunehmen. Wir haben es hier mit einem Konflikt zwischen Zivilisationen zu tun, zwischen Westen und Osten. Wir müssen diesen Kampf aus dem einfachen Grund beenden, weil er nicht gut für unsere Zukunft ist. Wir müssen unsere Beziehungen wieder herstellen, etwas Positives tun, um die Geschehnisse zu beenden. Und wir müssen damit zu Hause beginnen."

Diese unausgesprochene Allianz der Besonnenen kann ein erhellendes Licht auf den Karikaturen-Streit werfen. Denn was sich hier gegenübersteht ist weniger der oftmals beschworene Gegensatz von sakrosankter Pressefreiheit und islamischen Bilderverbot in einem "Kampf der Kulturen", sondern rechtskonservative und islamistische Populisten, die bei aller Gegensätzlichkeit ein großes Interesse an einem kulturalistischen Separatismus verbindet. Was vor dem Hintergrund der langen gemeinsamen Entstehungsgeschichte der beiden monotheistischen Religionen Islam und Christentum - neben dem Judentum als ältesten Familienangehörigen - besonders absurd erscheint bzw. erst ins rechte Licht gerückt wird.

Entlassen und unter Arrest: Jihad Momani.
Entlassen und unter Arrest:
Jihad Momani.
Besonders in puncto Familienähnlichkeit erinnert der Karikaturen-Streit an die Konflikte auf Vulkan im Jahrzehnt vor der Gründung der Vereinigten Föderation der Planeten. Die Syrranniten sind nur eine der Gruppen, die die orthodoxe Inter-
pretation der Friedensphilosophie Suraks, dem Gründervater der vulkanischen Zivilisation, durch das regierende Hohe Kommando in Frage stellen. Bombenattentate und politische Intrigen, staatliche Verfolgung von Dissidenten und die Stigmatisierung Andersdenken-
der bestimmen die Auseinandersetzun-
gen. Auf dem Planeten Vulkan der 2150er Jahre artikuliert sich das gesell-
schaftliche Unvermögen zur ausgleichen-
den Kooperation also ebenso als ideolo-
gischer Konflikt, als Frage des "richtigen Glaubens".

Gesellschaften, die gegenüber differenten Lebens- und Denkformen offen sind, lassen sich nicht auf reine Glaubens- und Prinzipienfragen gründen. Glaubensbekenntnisse und Prinzipien müssen für ein Gelingen des Wagnisses einer auf Differenz und Ausgleich gründenden Weltgesellschaft immer wieder ins Verhältnis zu aktuellen Konflikten gesetzt werden. Genau hier müssen sie stets unter Beweis stellen, ob sie den Bedürfnissen der Mitglieder einer solchen offenen Gesellschaft noch gerecht werden oder der Veränderung bedürfen.

Sowohl die europäischen Redaktionen, die sich bewusst gegen einen Nachdruck entschieden haben, wie die von Al-Shihan mit ihrer Entscheidung, die Karikaturen zum Zweck der Aufklärung über den Konfliktgegenstand zu dokumentieren, haben im diesen Sinne gehandelt. Deshalb zeichnen wir sie mit dem Surak-Preis für ein logisches Konfliktmanagement aus. (14. Februar 2006, w. & b.).

Unvollständige Liste arabischer und europäischer Zeitungen, die sich der Pressefreiheit in ihrem jeweiligen regionalen Kontext in Verantwortung für gesellschaftliche Offenheit gestellt haben:

Aftonbladet (Schweden)
Dagens Nyheter (Schweden)
Ekstra Bladet (Dänemark)
Le Figaro (Frankreich)
Frankfurter Rundschau (Deutschland)
Politiken (Dänemark)
Al-Shihan (Jordanien)
Svenska Dagbladet (Schweden)
Sydsvenskan (Schweden)

Zusendungen von weiteren Zeitungsnamen (inkl. Beleg) sind erwünscht!

Hintergrund: Mohammed-Karikaturen

Nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001, den westlichen Militärinvasionen in Afghanistan und Irak, der sich neuerlich abzeichnenden Zuspitzung des Nahostkonflikts nach dem Wahlsieg der Hamas wie des Atompokers zwischen Iran und dem Westen sind die Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung Jyllands-Posten zum Vehikel geworden, um die interkulturellen Spannungen auch in den Zivilgesellschaften Europas und der muslimischen Welt eskalieren zu lassen.

Auf der Tafel steht auf Persisch, in arabischen Lettern: 'Die Journalisten von Jyllands-Posten sind ein Haufen von reaktionären Provokateuren'.
Auf der Tafel steht auf Persisch, in arabischen
Lettern: "Die Journalisten von Jyllands-Posten
sind ein Haufen vonreaktionären Provokateuren".
Die Zeichnungen hatten sich über das islamische Bilderver-
bot des Propheten Mohammed hinweggesetzt und die zentrale Figur des Islam mit dem islam-
istischen Terrorismus gleichge-
setzt. Auf dem Hintergrund der ohnehin schon rassistisch auf-
geladenen Stimmung gegen muslimische Migranten in Däne-
mark, hatten die Repräsentan-
ten der dänischen Muslime kein Interesse an einer Eskalation. Erst vier Monate nach der ers-
ten Veröffentlichung im Septem-
ber 2005 hatten islamistische Gruppen die rechtspopulistische Steilvorlage vom Jyllands-Posten zur Inszenierung einer diplomatischen Krise zwischen Nahem Osten und Europa um-
münzen können. Rechte Zeitun-
gen wie Die Welt und France Soir reagierten mit dem Nachdruck der Karikaturen mit der Begründung, das heilige Gut der Pressefreiheit verteidigen zu wollen und sich gleichzeitig mit den dänischen Kollegen solidarisch zu erklären. Hinter den hohen Werten, die rechtskonservative Europäer wie islamistische Moslems für sich in Anspruch nehmen, stehen wie so oft ganz konkrete (innen-) politische Interessen:

Der rechtskonservative Jyllands-Posten will den Rassismus gegen die zumeist muslimischen Migranten in Dänemark weiter verstärken. Die Hamas in den Palästinensergebieten geht's um eine verbalradikale Vergewisserung der eigenen Anhängerschaft nach dem verwirrenden Wahlsieg. Das Ahmadinedschad-Regime in Iran will nicht nur von ihren nicht eingelösten sozialpolitischen Wahlversprechen ablenken. Die Hisbollah kämpft gegen ihr Unvermögen an, sich mit dem Abzug der syrischen Truppen aus Libanon in eine zivile politische Kraft zu transformieren usw.

Westlicher Rechtspopulismus und islamischer Fundamentalismus sind im Februar 2006 ihrem gemeinsamen Ziel, einen "Kampf der Kulturen" heraufzubeschwören, noch nie so nah gewesen: Selbst der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit als deren erklärter politischer Gegner, redet der rassistischen Formel dieser Tage das Wort.

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